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Grünes Grundsatzprogramm
"Wir sind die Kinderpartei, daran gibt es keinen Zweifel." Das
sagt Grünen-Chef Fritz Kuhn über das Grundsatzprogramm seiner Partei.
Kein Zweifel: Mit diesem Werk sind die Grünen endgültig auf Kindergartenniveau
angelangt.
Dem alten - bisher gültigen - Gründungsprogramm der Grünen war
anzumerken, in welcher Eile es zusammengestoppelt war. "Dieser Programmteil
wird noch überarbeitet" stand fett und als einziges unter der Überschrift
"Steuern, Währung und Finanzen". Das neue nennt sich hochtrabend
"2020" und soll damit die Jahreszahl dokumentieren, bis zu der es
halten soll. Doch es ist mindestens ebenso zusammengestoppelt wie
das alte - und es markiert inhaltliche Kehrtwenden um 180 Grad.
Unverfroren behauptet die Kriegsverbrecher-Partei, sie halte
"gerade auch für den Bereich der internationalen Politik an unserem
Ziel der Gewaltfreiheit fest". Ihr Ziel sei es "international die
Geltung des Rechts zu fördern". Ein hehres Ziel für eine Partei,
die den ersten völkerrechts- und grundgesetzwidrigen Krieg in der
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu verantworten hat.
Am deutlichsten wird der radikale Kurswandel der Grünen jedoch
in der Sozial- und Wirtschaftspolitik. Schon im Titel verspricht
die Partei den "Aufbruch in eine ökologische und soziale Marktwirtschaft"
und macht damit schon in der ersten Ansage ihren Frieden mit der
kapitalistischen Wirtschaftsordnung. 1980 wussten die Grünen noch:
"Die Produktion richtet sich nicht nach den Bedürfnissen der Menschen,
sondern nach den Interessen des Großkapitals". Es drohe die "völlige
Verseuchung und Verwüstung der menschlichen Lebensbasis sowie steigende
Arbeitslosigkeit und eine wachsende soziale und psychische Verelendung.
Hier genau müssen sich ökologische und Arbeiterbewegung verbinden."
Davon sind die Grünen heute weit entfernt. Kritiklos übernehmen
sie die Worthülsen der Arbeitgeber. 1980 wussten sich noch, dass
Arbeitslose arbeitslos werden, weil Arbeitgeber sie entlassen. Und
forderten deshalb "bei rationalisierungsbedingten Entlassungen Fortzahlung
des alten Lohnes bis zur Aufnahme gleichwertiger anderer Arbeit
oder Umschulung. Heute sind die Arbeitslosen selber schuld, wenn
sie keinen Job finden. Deshalb wollen die Grünen eine "aktivierende
Arbeitsmarktpolitik" und fordern, "Investitionen in Arbeit zu erleichtern".
Und während sie 1980 noch wussten, dass die staatliche Steuer- und
Subventionspolitik die "bereits ungleichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse
zwischen arm und reich noch verstärkt", schließen sie sich
heute dem neoliberalen Credo nach "systematischer Senkung der Lohnnebenkosten"
an.
So geht es mit einem neoliberalen Glaubenssatz nach dem anderen
weiter. Während das alte Programm der Grünen noch den Gegensatz
zwischen Kapital und Arbeit kannte, unterstützen sie heute "politische
Initiativen zur Beteiligung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
am Unternehmenserfolg und am Produktivvermögen".
Manchmal haben sich doch nicht zur Textverarbeitung gegriffen
und Arbeitgeberforderungen einfach markiert, kopiert und eingefügt.
Sondern sie haben selber versucht, einen Text zu schreiben. Dabei
sind dann Sätze wie diese herausgekommen: "Eine moderne Ökonomie
braucht innovative Unternehmer, handlungsfähige und reformbereite
Gewerkschaften und Betriebsräte, wenn sie den sozialen Frieden schützen
will. Dies gilt nicht weniger, wenn die wachsende Differenzierung
der wirtschaftlichen Entwicklung und der Beschäftigungsstruktur
auch regional und branchenspezifisch differenzierte tarifliche Lösungen
erfordert." Wenn dieser Wortmüll einen Sinn haben soll, dann wohl
den: Betriebsräte wissen viel besser als Gewerkschaften, wie man
Tarifpolitik macht - lasst sie machen. Das genau das die Forderung
radikaler Arbeitgeber ist - wen wundert das noch?
Aus dem ehemals konsumkritischen Ansatz der Grünen ist jetzt das
geworden: "Die soziale Marktwirtschaft hat sich in unserem Land
in der Vergangenheit als effizientes System wirtschaftlicher Steuerung
erwiesen, weil sie menschliche Kreativität und Eigeninitiative freisetzt
und eine große Vielfalt in der Konsumwahl ermöglicht."
Die Grünen halten nichts "von starrer Regulierung der Arbeitsmärkte,
weil so Barrieren gegenüber denjenigen, die außerhalb des Arbeitsmarktes
stehen, nicht abgebaut werden." Da sind sie wieder, die Unternehmerklagen
über zu hohe Löhne und Sozialabgaben. Wer jetzt behaupten würde,
die Grünen würden sich nicht von CDU und FDP unterscheiden, tut
ihnen Unrecht. Der ultra-neoliberale Flügel fordert beim Umbau der
Sozialversicherungssysteme "steuerfinanzierte Bürgerversicherungen
für Krankheit, Alter und Pflege". Das bedeutet nichts anderes als
die völlige Zerschlagung der bisher paritätisch zwischen Arbeitgebern
und Arbeitnehmern finanzierten Sozialversicherungssysteme. Und so
weit gehen noch nicht einmal CDU und FDP.
Fast schon tröstlich ist es, dass die Grünen in der Arbeitsmarktpolitik
"nicht den Weg der grenzenlosen Flexibilisierung gehen" wollen,
"weil »Working poor« keine soziale Lösung sein kann". Aber halt:
"Working poor" - also wenn das Arbeitseinkommen zum Leben nicht
reicht - hatten die alten Grünen noch als Problem erkannt. Und jetzt
halten die Grünen das nicht mehr für ein Problem, sondern sie denken
ernsthaft darüber nach, ob es nicht eine Lösung sein kann.
Nicht immer ist es ihnen gelungen, die Forderungen der Arbeitgeber
auch in sinnfällige Worte umzusetzen. Beispiel Gesundheitspolitik:
"Durch einen auf das medizinisch Notwendige bezogenen Leistungskatalog
für die Pflichtversicherung entstehen Spielräume für Differenzierungen
bei Tarifen und Leistungsangeboten. Dabei sind Wahlmöglichkeiten
auf medizinisch nicht unbedingt erforderliche Leistungen einzugrenzen,
um sicherzustellen, dass sich der Zugewinn an Wahlmöglichkeiten
für die Versicherten nicht als erhöhtes Gesundheitsrisiko für sozial
Benachteiligte und Kranke auswirkt." Da musste wohl so viel Buchstabennebel
geworfen werden, damit Sozialabbau am Ende noch wie eine Erweiterung
der Demokratie aussieht.
Zumindest an einer Stelle sind die neuen Grünen so konkret, wie
man das von den alten Grünen erwartet hätte: In ihrem Schlüsselprojekt
"Neue Landwirtschaft" fordern sie "die Begrenzung von Schlachtviehtransporten
auf maximal vier Stunden". Aber selbst da sind die Grünen nur noch
eine Karikatur ihrer selbst: Woher wissen sie eigentlich, dass die
zum Tode verdammten Schweine nicht schon nach dreieinhalb Stunden
unfreiwillig die Biege machen? Oder ob sie nicht vielleicht doch
fünf Stunden auf der Autobahn durchhalten würden? Und wenn vier
Stunden genug sind: Warum dann erst ab 2020?
Fritz Kuhn hat eben doch Recht: Die Grünen sind eine Kinder(garten)partei.
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