Deutsche Bank und Zwangsarbeiter-Entschädigung

Die Deutsche Bank hat nicht nur an der Ausbeutung von Zwangsarbeitern während des Nationalsozialismus verdient, sondern auch an deren Entschädigung.

Auf der Jahreshauptversammlung im Juni 2000 konnte Rolf-E. Breuer, Vorstandssprecher der Deutschen Bank, seinen Aktionären eine gute Botschaft überbringen. 200 Millionen Mark werde die Bank in den Entschädigungsfonds für ehemalige NS-Zwangsarbeiter einzahlen. Das Kreditinstitut bekenne sich zu seiner Geschichte während der Zeit des Nationalsozialismus.

Ganz so selbstlos war das plötzlich erwachte Geschichtsbewusstsein der Deutschen Bank jedoch nicht. Zur Jahreswende 1998/99 gab das größte deutsche Geldinstitut nämlich bekannt, dass es mit Bankers Trust aus den USA fusionieren wolle. Und da hätte die Gefahr bestanden, dass in den USA Rufe nach einer Entschädigung der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter laut würden, die während der nationalsozialistischen Herrschaft schuften und sterben mussten.

Also begann die Deutsche Bank mit der Erforschung der eigenen Geschichte: 15 Kilometer Akten, die das "Historische Institut" der Bank zu den Jahren 1933 bis 1945 gesammelt hatte, hatten bis dahin in den Archiven geschlummert. Auf einer Pressekonferenz am 4. Februar 1999 in Frankfurt deklarierte der Leiter des Instituts, Manfred Pohl, als "neuen Aktenbefund", was die kritische Öffentlichkeit bis dahin nur geahnt hatte: An mindestens zehn Unternehmen, die am Bau des Konzentrationslagers Auschwitz beteiligt gewesen waren, hatte die Deutsche Bank Kredite vergeben.

Das dürfte zwar nur die halbe Wahrheit sein. Denn schon im Juni 1947 hatte eine Sonderkommission der amerikanischen Militärverwaltung (OMGUS - Office of Military Government for Germany - U.S.) nachgewiesen, dass die Führung der Deutschen Bank enge Kontakte zur nationalsozialistischen Führung hatten. Der Bericht verschwand allerdings in der Versenkung.

Die Deutsche Bank selbst will nicht ausschließen, dass sie mit Gold gehandelt hat, dass die Nazis ihren Opfern geraubt oder nach deren Ermordung aus den Zähnen gerissen haben. In einer Pressemitteilung vom 4. Juni 1998 räumte die Deutsche Bank ein, dass sie "Deutsche Bank bei Kriegsende 323 kg Gold besaß. Das Gold wurde der Bank in den Fünfziger Jahren wieder zur Verfügung gestellt, und sie verkaufte es 1995. Schon allein aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs konnte eine mögliche Verbindung zwischen diesem Gold und dem Naziraubgold nicht ausgeschlossen werden."

Alles in allem, so die Schätzung einer Studie der Stiftung für Sozialgeschichte an der Universität Bremen, betrugen die Gewinne der Deutschen und der Dresdner Bank aus Raub, Enteignung und Zwangsarbeit rund 290 Millionen Reichsmark. "Das sind rund 14,2 Prozent des gesamten Gewinns", stellt Michael Hepp, der Autor der Studie, fest.

Doch zurück zum Thema Entschädigung: Um nicht der Gefahr zu unterliegen, in den USA von ehemaligen Opfern der Zwangsarbeit verklagt zu werden, hatten verschiedene deutsche Unternehmen, allen voran die Deutsche Bank, ein Interesse daran, die Entschädigung zu regeln, um sogenannten Sammelklagen ehemaliger Opfer zu entgehen. Die "Süddeutsche Zeitung" brachte es am 6. Februar 1999 auf den Punkt: "Dass die Klagen als internationales Top-Thema behandelt werden, liegt daran, dass Politik und Wirtschaft für die Entschädigung von Zwangsarbeitern eine Regelung versäumt oder bewusst auf Zeit gespielt haben. Weil inzwischen alle deutschen Konzerne im wichtigen Markt Nordamerika Tochterunternehmen haben, können sie dort nach US-Recht verklagt werden."

Deshalb war die Entschädigung auch immer mit einem Zauberwort verbunden: "Rechtssicherheit". In einer gemeinsamen Erklärung bekundeten zwölf deutsche Konzerne am 16. Februar 1999, dass sie sich zur "Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft" zusammengeschlossen haben - darunter der Versicherungskonzern Allianz, die Autohersteller Daimler-Chrysler, BMW und Volkswagen, die Chemieunternehmen Bayer, BASF und Hoechst, außerdem Degussa-Hüls, Krupp und Siemens sowie die Deutsche und die Dresdner Bank. Als Ziel formulierte die Stiftungsinitiative: "Eine Antwort auf moralische Verantwortung deutscher Unternehmen aus den Bereichen der Zwangsarbeiter-Beschäftigung, der Arisierung und anderen Unrechts aus der Zeit der NS-Herrschaft zu geben, aus diesem Verständnis der NS-Vergangenheit humanitäre und zukunftsweisende Projekte zu fördern und dadurch eine Grundlage zu schaffen, um Klagen, insbesondere Sammelklagen in den USA, zu begegnen und Kampagnen gegen den Ruf unseres Landes und seiner Wirtschaft den Boden zu entziehen."

Die Kosten für diese Rechtssicherheit sollten zehn Milliarden Mark zu betragen - zu erbringen jeweils zur Hälfte von Unternehmen und vom Staat. Am 5. Oktober 2001 hatte die Stiftungsinitiative endlich die zugesagten fünf Milliarden Mark beisammen und überwies die Schlussrate in Höhe von 550 Millionen Mark an die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft". Diese Stiftung jedoch hatte die Böcke mit dem Gärtnern beauftragt: Sie vertraute ihre Geldgeschäfte der Deutschen Bank, der Commerzbank und Dresdner Bank an. Die Deutsche Bank tauschte nach Informationen des "Handelsblatts" insgesamt 1,3 Milliarden Mark in polnische Zloty - Geld, mit dem die Zwangsarbeiter entschädigt werden sollten. Durch den Massenumtausch geriet der Umtauschkurs des Zloty jedoch so stark unter Druck, dass die ehemaligen Nazi-Opfer rund 150 Millionen Mark verlieren. Da der Umtausch von Währungen zwangsläufig ein Nullsummen-Geschäft ist, entsprechen die Verluste der einen (in diesem Fall: der Zwangsarbeiter) genau dem Gewinn der anderen (in diesem Fall: der Deutschen Bank). Fast jedenfalls. Denn für die Umtauschaktion haben die Banken zusätzlich mehr als sechs Millionen Mark kassiert.

Wo wir schon einmal beim Nachrechnen sind: Während die Stiftung das Geld bei den Unternehmen sammelte, fielen für diese Gelder natürlich Zinsen an. Nachdem insbesondere IG Metall-Chef Klaus Zwickel darauf gedrängt hatte, dass auch die Zinsen den Opfern zu Gute kommen sollten, sagte die Stiftung zu, noch einmal 100 Millionen Mark zusätzlich an die Opfer zu zahlen. Mitte Oktober 2001 bezifferte die Stiftung die bislang angefallenen Zinsen auf 360 Millionen Mark.

Rolf-E. Breuer, der Vorstandssprecher der Deutschen Bank hat seinen Aktionären also nicht zu viel versprochen, als er auf der Hauptversammlung am17. Mai 2001 ankündigte: "Wir werden konsequent die sich uns bietenden Möglichkeiten nutzen, ganz im Sinne des neuen Slogans unserer Imagekampagne: "Wo ist die nächste Chance?"

Links zum Thema:

Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte zum Zloty-Kurs

Hepp-Gutachten zu den Gewinnen von Deutscher und Dresdner Bank 1933 bis 1944

World Socialist Web Site: Deutsche Bank, Auschwitz und der Entschädigungsfonds der deutschen Wirtschaft (23. Februar 1999)

Jungle World: Kredite für die Vernichtung (10. Februar 1999)

IG Metall, Thema: Zwangsarbeit

Stiftungsinitiative der Deutschen Wirtschaft

Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft"



01.11.2001


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