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Wie
Politik wirklich funktioniert? Wer wüsste das nicht gerne? Die Journalisten
Elisabeth Niejahr und Rainer Pörtner behaupten, sie wüssten, wie
es geht. Zumindest sind sie nahe genug dran. Niejahr war ab 1993
Bonner "Spiegel"-Korrespondentin für Politik und Wirtschaft und
schreibt seit 1999 für das Berliner Büro der "Zeit". Pörtner war
seit 1989 ebenfalls "Spiegel"-Redakteur und ist seit 1999 Leiter
des Ressorts Politik/Nachrichten der "Berliner Zeitung". Die beiden
erklären Politik nicht aus moralischen Ansprüchen heraus, sondern
aus ihren Kontakten zu den Bonner/Berliner Politikern. Natürlich
kommen die beiden nicht ohne den Lehrmeister des politischen Pragmatismus
aus: Machiavelli. Immer wieder wird er von den beiden Journalisten
zitiert. Oder Bismarck: Der habe festgestellt, dass Politiker zweierlei
benötigen: "Ein kaltes Herz und warme Unterhosen". Dieses Zitat
- was immer es bedeuten möge - hat den beiden so gut gefallen, dass
sie es sogar zweimal angebracht haben.
Vieles von dem, was Niejahr und Pörtner schildern, ist nicht unbedingt
neu, sondern aus Archiven zusammengetragen. An anderen Stellen berichten
sie aus eigenen Erfahrungen. Etwa dann, wenn sie Joschka Fischers
"Pollenflug" schildern. So nennt der Ober-Prakmatiker der Grünen
die Situationen, in denen nicht die Journalisten die Fragenden sind,
sondern die Rollen einmal umgekehrt verteilt werden: Politiker fragen,
Journalisten antworten, was sie von neuen Thesen halten. Und so
gelingt ein interessanter Blick hinter die Kulissen der Macht, hinter
die der größte Teils des Publikums gewöhnlich nicht schauen darf.
Den letzten Vorhang lüften Niejahr und Pörtner allerdings nicht
- was damit zusammenhängen dürfte, dass sie zwar reichlich Kontaktpflege
betreiben (und auf diese Art und Weise allerlei Persönliches berichten
können) und von allem etwas wissen, in manchen Fachgebieten dann
aber eben doch nicht über tiefere Sachkenntnis verfügen. Deutlich
wird das bei der Schilderung eines Vorstoßes des damaligen Grünen-Fraktionschefs
Rezzo Schlauch im Sommer 2000. Schlauch hatte vorgeschlagen, dass
Betriebe ihre Beschäftigten künftig auch unter Tarif bezahlen können
sollten. Sein Weggefährte, der Parteivorsitzende Fritz Kuhn widersprach
und ließ sogar einen Vorstandsbeschluss herbeiführen, der sich von
Schlauch distanzierte.
Deswegen sei das Verhältnis zwischen den beiden so gestört gewesen,
dass sie erst im darauf folgenden Sommer wieder gemeinsam in Urlaub
gefahren seien. Was Niejahr/Pörtner nicht schreiben: Kuhn und Schlauch
dürften bei der Gelegenheit die ein oder andere Flasche Wein geköpft
haben aus Freude darüber, dass sie eine zentrale Forderung der Parteilinken
eliminiert hatten. Denn die hatte für das Bundestagswahlprogramm
1998 noch durchgesetzt, dass die Grünen betrieblichen Bündnissen
eine eindeutige Absage erteilten und sich sogar für ein gewerkschaftliches
Verbandsklagerecht zur Einhaltung von Tarifverträgen stark gemacht
hatten. Nach der Schein-Kontroverse zwischen Kuhn und Schlauch tauchte
diese Forderung bei den Grünen nicht mehr auf - im Wahlprogramm
für das Jahr 2002 fehlte sie völlig.
Elisabeth
Niejahr/Rainer Pörtner: Joschka Fischers Pollenflug und andere Spiele
der Macht. Wie Politik wirklich funktioniert, Eichborn Verlag 2002,
192 Seiten, 17,90 EUR
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